35 Nasbinals – Espalion

Mittwoch, 5.Mai 2004, 39 km

Wetter: Schnee, eiskalt, später freundlich

Heute wirds weit, also früh raus. Ich schaue aus dem Fenster und traue meinen Augen nicht: Schnee, alles weiß überzogen. Die Wolken scheinen nicht allzu dicht, denn manchmal sieht man einen blauen Schimmer, und im Osten kommt gelegentlich die Sonne mit ein wenig Licht durch die Wolken. Ich muss aber nach Westen, und da kommts doch sehr dunkel.

Eisiger Wind, direkt von vorn, Schneegestöber. Die Markierung ist nur noch schwer zu erkennen, der Weg wird jetzt zunehmend matschig. Wo der Schnee liegen bleibt, vermute ich trockene Stellen. Schneesturm von vorn, Markierung auf langen Stangen, hier scheints häufiger viel Schnee zu geben.

Vor mir ein Wald, kurz von einem weichen Sonnenstrahl getroffen, leuchtet durch den Schneenebel verheißungsvoll, da ist die Sonne auch schon wieder weg und alles wird bedrohlich grauweiß. Jetzt bin ich am oberen Waldrand. Aus der angrenzenden Wiese, über die ich muss, lauter Bäche, die den Hang runterfließen. Stein-und Matschgestolper, ich weiß nie, was unter dem Schnee liegt. Am letzten Baum eine verwaschene Markierung, dann Schluss.

Ein grauer Steinwall im Schneesturm, quer zu meiner allgemeinen Richtung. Anhand der Karte und der bisher vergangenen Zeit versuche ich festzustellen, wo ich mich befinde; sollte nach Westen, das wäre geradeaus über den Steinwall, den ich aber sicherlich umgehen muss. Ich kann links oder rechts gehen. Also: wohin? Gehe zunächst nach links, den Hang runter. Ein innere Stimme sagt mir, das sei falsch, also den Berg wieder raufgestapft und die andere Richtung genommen. Matschwiese, Nässe, Schneesturm, Mist elender! Schließlich eine Markierung, die zwar nicht zum Jakobsweg gehört, der ich aber trotzdem folge. Über einen katastrophalen Bachübergang führt sie auf einen verschneiten Wiesenweg entlang einem Zaun. Eigentlich ist das ja die falsche Richtung, aber lieber einem Weg gefolgt, als über unwegsames Gelände in die vermeintlich richtige Richtung.

Endlich bin ich ganz oben. An einer kleinen Schutzhütte auch wieder die Markierung des Jakobswegs. Bin ja schon viel weiter, als ich angenommen habe! Erleichtert stolpere und rutsche ich auf dem Pfad und bin mal wieder froh um meine Stöcke.

Der Nebel reißt kurz auf und weit unten erscheint undeutlich und grau für einen wunderbar glücklichen und erleichternden Moment die Kathedrale von Aubrac, dann wird sie wieder verschluckt. Noch einen nassen Rutschhang runter, ein Stück Straße:       Laudate in der geradezu provozierend spartanischen romanischen Kirche. Man hat den Eindruck, dass sie seinerzeit als reiner Zweckbau, ohne jeden Zierat errichtet wurde, aber gerade das macht sie unglaublich kraftvoll.

Im Gasthaus gönne ich mir ein Frühstück und wärme mich auf. Ahhhh, tut das gut! Eiskalter und nasser Abstieg, teilweise über sehr steile Rutschpfade, mehrere Pilger überhole ich. Schöne Kirche in St.Chely, aber mit betender Nonne, kein Laudate. Über alte Römerbrücke, dann wieder steil den nassen Hang hinauf.

Das Wetter scheint etwas besser zu werden, die Sonne kommt ein wenig. Hier werden die Bäume endlich grün. Wunderbar. Ich überhole drei Franken, unterhalte mich ein wenig mit ihnen. Die Frau des einen fährt das Begleitfahrzeug, sie ergänzen dieses Jahr noch das letzte Stück des Jakobswegs von Le Puy nach St-Jean-Pied-de-Port. Wieder Regensturm, durch wasserführende Bachwiesenwege, ich bin pitschnass. Kurz wieder Sonne, als ich nahezu trocken bin, wieder ein Regensturm, der mich auf einer Landstraße auf einer Höhe voll von vorne erwischt. Beim Abstieg wieder Sonnenloch. In einer Kurve steht ein Mercedes aus Deutschland: Die Frankenfrau; richte ihr Grüße aus, die ich zwar nicht aufgetragen bekommen, aber wohl bekommen hätte.

Auf einem Steinhaufen Mittagspause, habe tollen Blick rundum. Sehe die unterschiedlichen Wetter, schwarze Wolkenbänke mit weißem Schauer darunter, blauen Himmel, weiße Wolken. Rechts von mir eine sehr schwarze Wolkenbank mit alles verdeckender Dusche drunter, noch ziemlich weit weg. Die wird doch nicht? Doch, sie wird. Ich packe ein und starte schnell den Hang runter. Wenn ich den Wald erreiche, bevor das Wetter da ist, dann wirds nicht so schlimm. Geschafft. Die Bäume biegen sich, der Wind faucht und der Regen prasselt, aber die lieben Bäume halten doch das Schlimmste ab.

Dann wieder herrlich warme Sonne. Auf einem steilen, steinigen Abstieg streift mich ein Buchenzweig, das weiche, frische, vom Regen nasse Grün küsst mich, ich küsse zurück.

Sonniger Abstieg nach St.Come d’Olt. Aber der nächste Guss kündigt sich schon an. Kirche mit der eigentümlich verdrehten Haube ist zu, Cafe offen. Bei Cafe creme und Cola wärme ich mich auf und warte den Regen im Trockenen ab. Die Bedienung sagt mir dann auch, dass man bei der Kirchentür nur fest drücken müsse, dann ginge sie schon auf. Ich drücke fest: dankbares       Laudate in einer wunderbaren Kirche.

Weiter über die regennasse Straße entlang dem reißenden Lot nach Espalion mit seiner mittelalterlichen Pilgerbrücke. Im Hotel: die vier Franken. Wir sitzen beim Essen nebeneinander und haben einen unterhaltsamen Abend.

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