76 Portomarin – Melide

Dienstag, 15.Juni 2004, 42 km

Wetter: sonnig, sehr heiß, frischer Wind

Wahre Pilgermassen setzen sich im Dunklen in Bewegung. Am ersten schönen Waldanstieg gleich nach der Fußgängerbrücke über den Stausee zieht sich die Schlange auseinander. Auf Pilgerweg neben Hauptstraße.

Nach einer Stunde gönn ich mir ein Frühstück in total überfüllter Bar. Vorletzter Tag vor dem großen Ziel. Rückblickend scheint alles einfach und kurz gewesen zu sein. Aber Erinnerungen an Frankreich oder gar die Schweiz sind lächerlich ewig weit weg.

Auf kleinen Straßen durch hübsche Dörfer mit den für dieses Gebiet typischen Horreos, durchlüfteten Trocknungshäusern für alles, was getrocknet werden muss, sehr abwechslungsreich.

Wieder mal wunderbare Aussichten ins hügelige Land.

Kurz nach der Herberge in Ligonde zweigt der Weg als überraschender Pfad nach links ins steinig-nasses Wiesengrün und kürzt den Straßenbogen ab. Bei einer Bar mitten auf einer Wiese mit hübschem Garten davor erreicht man wieder die Straße. Genieße schon wieder ne Pause.

Am Ortseingang von Palas de Rei Stempeltisch neben der Kirche. Die ist offen, schönes, langes       Laudate . Steile Treppe hinunter in die Stadt. Pilgermassen drängen sich vor der noch verschlossenen Herberge. Es ist erst 11:30!

Lange genussvolle Mittagspause in properer (aber teurer) Privatherberge im hübschen Dörfchen San Xulian. Nettes Töchterlein des Besitzers bedient und glänzt mit deutschen Sprachbrocken, 2 Amerikanerinnen, denen ich heute schon mehrfach begegnet bin, gönnen mir ein Foto meines Pausenplatzes. auf schönen schattigen Wegen bis Melide.

Mein Quartier ist etwas außerhalb, aber ruhiges großes Zimmer von der Straße weg. In Gluthitze auf Hauptstraße in die Stadt. Internetergänzung in städtischem Zentrum, kostenlose Dienstleistung für die Jugend des Ortes (und auch mich!). Toll! Ob die Kirche offen ist? Vorne sitzt still ein Mann. Kann ich singen ? Die Frau am Stempeltisch nickt eifrig mit dem Kopf. Und der Mann da vorn? Ach der! Sie macht eine wegwerfende Handbewegung, egal.       Laudate Dem ists aber nicht egal. Übertrieben verschreckt steht er auf, verschwindet zunächst hektisch im Seitenschiff, um dann mit ostentativ lauten Stampfschritten und kurzem Disput mit der Stempelfrau die Kirche zu verlassen. “Muy bien” lächelt die, als ich gehe.

An belebter Hauptkreuzung leckerer Salat, Radler, Kaffee, Tagebuch. Kleine Unterhaltung mit jungem spanischem Pilgerpärchen, das ich heute öfter getroffen habe. Macht Spaß, die jungen Mädchen anzugucken, die ihre nackten Bäuche unter knappen T-Shirts ausführen. Junge Männer protzen mit knatternden Leichtmotorrädern.

Leben.

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