75 Triacastela – Portomarin

Montag, 14.Juni 2004, 42 km

Wetter: sonnig, sehr heiß, frischer Wind

Es ist noch Nacht, als ich starte. Markierungen sind noch nicht zu sehen, hab aber gestern Abend schon mal geschaut. Vor mir im Dunkel zwei Spanier. An einem Abzweig gehen sie falsch in ein Industriegrundstück, wecken die Hunde auf, die im Schwarzgrau bellend um uns rum hetzen.

Geradeaus weiter einen langen Waldweg hoch. Glühwürmchen: Spanische Pilgerinnen, die während des Anstiegs rauchen.

In San Xil wirds heller. Schöner, abwechslungsreicher Höhenweg mit Aussicht auf stille Bergrücken im Morgenrot. Langsam wirds Tag. Steiler Hohlweg, manchmal abenteuerlich steinig, hinunter nach Montan. Bin mal wieder froh um meine Stöcke.

Durch Wälder, entlang Landstraßen bis Sarria. Kleiner Schlenker durch den Ort, Straße hinauf zum Magdalena-Kloster, dabei kurze Kaffeepause. Steile Asphaltstraße abwärts, alte römische Brücke. Nach Bahnviadukt schöner Weg, steil durch Wald, mild über Höhen. Im Sand immer wieder Pilgerspuren. Wenn man die mal nicht mehr sieht, hat man sich wahrscheinlich verlaufen.

Heiß, Pause an kleinem Bach unter großem Baum neben grobsteiniger alter Römerstraße, die verboten zu gehen ist.

Viel auf und ab, sehr heiss, in Minikapelle mattes       Laudate . In Ferreiros noch mal lange Salatpause, die Bedienung füllt mir meine Wasserflasche. Gracias. De nada.

Steil hinunter nach Portomarin, das am gegenüberliegenden Seeufer schon früh zu sehen ist. Lange Brücke, hinauf in den überraschend authentischen Retortenort, dessen Ursprung im Stausee ertrunken ist. Die alte romanische Kirche wurde Stein für Stein umgesetzt. Sie ist offen,       Laudate , toll, voll, romanisch.

Zimmer, na ja, Lage aber im Zentrum gegenüber der Kirche. Tagebuch mit dem Üblichen im Schatten der Arkaden. Am Nebentisch ältere deutsche Buspilgerdamen mit gefärbten Haaren, beim Tässchen Nachmittagskaffee, der Bus parkt gleich nebenan, “Haach! Hamse die wunderbare blaue Kachel mit der Muschel jesehn?” “Ich liiiebe blau!” “Aber bei mir passt nix mehr in’n Koffer, vielleicht noch’n Ziegenkäse aus den Pyrenäen.” “Machn jedn Tach 5-6 km Jakobsweg, anners jet dat ja nich, bei der Hitze!” Langer Zug aus der Zigarette.

Glockengeläut vom Band, sollte mal erneuert werden, klingt mit seinem Bandgeräusch gräuslich. Am Abend Trubel auf dem Platz, jeder lässt sich vor dem Brunnen fotografieren: der zu dicke Radler in Tourdefrancekostümierung, den einen Fuß mit den Radlerschuhen in Erobererpose am Brunnenrand hochgestellt; das ältliche Paar, er, zwar Caprilook, aber sonst ganz elder Statesman, sie, Sonnenbrille zu hoch auf der Nase, Knie des Spielbeins aus der Hüfte leicht nach innen gedreht, Kopf graziöselnd zur Gegenseite geneigt.

Lässt sich gut schmunzeln in lauem Abenddämmer.

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