59 Pamplona-Estella

Samstag, 29.Mai 2004, 50 km

Wetter: sonnig, sehr warm, schwül

Starte um 6:00, die Strecke ist sehr lang. Alles noch dunkel. Gut, dass der Jakobsweg in Pamplona hervorragend markiert ist, bis auf eine kleine Ausnahme am Ortsausgang nach der Universität. Ein kleiner Jakobspfeil weist hier nach rechts in eine Nebenstraße, die eigentliche Richtung geht aber auf der Landstraße stadtauswärts. Die Lektüre des Outdoor-Buchs hilft mir weiter.

Schon eine ganze Reihe Pilger unterwegs. Abzweig auf Piste, links im Morgendämmer ein kleines Zelt, lange, schön ansteigend auf steilen Höhenrücken, der am Kamm mit unzähligen (40) Windkraftanlagen bestückt ist. Langsam kommt die Sonne über den Horizont, der Wind wird kräftiger.

Überhole frz. Pilger, wir haben ein nettes Gespräch, ich merke, dass mir französisch inzwischen ganz leicht fällt, mir die Worte wie selbstverständlich kommen und ich den Gesprächspartner sofort verstehe; vielleicht nicht jedes Wort im Detail, aber den Sinngehalt. Spanisch ist noch sehr mühsam, besonders am Telefon.

Auf dem Kamm des Höhenzugs mal wieder ein überwältigender Blick: zurück , in die aufgehende Sonne, Pamplona. Nach vorne eine leicht gewellte, nahezu unendliche Ebene, mattgrün. Gleich hinter der Kuppe kommt eine junge Frau auf mich zu, fragt mich was auf spanisch, was ich nicht verstehe, merke aber, dass ihr Spanisch sehr germanisch klingt und frage zurück: “Sind Sie Deutsche?” “Hört man das? Oh dann muss ich an meinem Spanisch noch arbeiten!” Mit ihrem Begleiter macht sie eine Umfrage über das Verhalten und die Vorlieben von Wanderern. Den Fragebogen fülle ich aus, dann geht’s sausteil und steinig ins Tal.

An einer Bar würde ich gerne mein Frühstück nachholen, die Inhaberin ist aber so mit der Vorbereitung von belegten Brötchen beschäftigt, dass ich schließlich resigniert aufgebe. Draußen ältere Dame aus Oberstdorf, will auch in Estella übernachten, diesmal im Hotel, sie müsse endlich mal ausschlafen. Ich weise sie auf die kritische Situation in Estella hin. “Ohhhh, da muss ich doch gleich anrufen.” Weiß nicht, ob sie noch was bekommen hat, werde ihr aber nochmal begegnen.

Obwohl es heute lang ist, mache ich den Umweg, um die Kirche Eunate zu besuchen. Lang und heiß über Ebene. Kirche, eher Kapelle, sehr beeindruckend in ihrer sehr ursprünglichen, in der Führung der Gewölberippen fast ungelenken Romanik. Laudate nicht möglich, da Akustikverschmutzung durch Tonbandgedudel. Aus den spanischen Kirchen wird die Stille verbannt.

Kurze Pause neben der Kirche, Bustouristen strömen an den Fotografierpunkt, sie haben einen Orginalpilger dabei, mit Pilgerhut, Pilgerumhang, Pilgerstecken und Pilgerbart, der sich als Vordergrund aufbaut. Sind das Japaner? Nein. Spanier.

Sehr schön weiter nach Puente la Reina. Die Santiagokirche dort ist OFFEN! Touristen drin, die kopfnickend zwischen Kapitel und Kapitell wechseln. Mir wurscht. Bei den wenigen geöffneten Kirchen kann ich mir keine Sentimentalitäten leisten: Langes, angenehmes       Laudate , die Touristen werden still.

Hach!

Weiter sie Straße runter, ein Supermarkt ist offen, Einkaufen für morgen, die Iglesia del Crucifijo ist ebenfalls offen. Gibt’s denn sowas! Die Frau aus Oberstdorf ist auch da und drängelt mit mir durch die Tür: “Haben Sie was dagegen, wenn ich singe?” “Können Sie was spanisches?” “Nee, nur ein Weihnachtslied. Ich singe Laudate omnes gentes aus Taize.” Sie weiß Bescheid, fängt sofort an. “Für mich ein bisschen hoch.” “Ahh, ja,ich singe Sopran.” Sie bricht ab und ich fange etwas tiefer wieder an       Laudate . Sie singt schön mit. Als ich meinen Rucksack wieder anziehe, hilft sie mir hinein, tätschelt mir den Arm: “Das war schön!” Nix wie weg! Am Ortsausgang die berühmte Brücke über den Arga.

Der weitere Weg nach Estella über Maneru und Ciraqui, die hübsch hintereinander zu sehen sind, wird mühsam, heiß, schwül. Lange, unliebsam in die roterdigen Hänge gehauene Umleitungen um riesige Straßenbaustellen, der Pilger wird die Hänge rauf- und runter gehetzt. Bei Regen möchte ich hier nicht gehen müssen, das gäbe eine elende Lehmschlitterei.

In einem kühlen Tordurchgang vor dem Rathaus in Ciraqui hocke ich nach langem, steilem, leeren Pflastergassenanstieg und versuche, mich zu erholen. Das Wasser aus meiner Flasche ist warm und schmeckt schal. Besser als nix.

Anstieg auf alter Römerstraße, historisch doll interessant, zum Gehen eine Katastrophe, was hatten die Legionäre eigentlich für Schuhe? Über Reste einer alten Römerbrücke. Keine richtige Pause möglich, kein Schatten. Zwei ältere Pilger hocken sich auf den Weg in den Restschatten eines kümmerlichen Busches und bestellen sich per Handy ein Quartier. Mir geht das Wasser aus. Langer, mühsamer Anstieg seitlich am Hang unterhalb der Autostraße nach Lorca: Kirche ist zwar zu, aber dafür kleiner Marktplatz mit sprudelndem Brunnen, Bänken im Schatten!!! Lange Pause. Ein Eisauto kommt mit lauter Musik. Sämtliche Dorfkinder, mich eingeschlossen, erstehen ein Eis. Ein alter Mann lässt seine Hausente an der Leine im Dorfbrunnen schwimmen, Attraktion für alle. Langsam trudeln weiter Pilger ein, die diese Oase nutzen. Auch zwei nette Franzosen, haben heute Nacht hinter Pamplona im Zelt übernachtet (ach ja, hab ich gesehen!) mit denen ich mich lang unterhalte. Trinke 1 1/2 l Wasser, fülle meine Flasche wieder voll. Gewitter naht.

Ich starte. Den Regenguss überstehe ich wandernd mit meinem hübschen, federleichten Schirm von Tschibo. Hat Margret noch gekauft. Danke, mein Spatz! Endlich Estella.

Estella, La Bella, empfängt mit Industrieanlagen. Dann links bröckelnde Romanik. In der Pilgerherberge (sie ist natürlich ausgebucht) frage ich, wo ich die Jugendherberge finden kann. Ein sehr unfreundlicher Herbergsvater lässt sein Spanisch auf mich niederprasseln, merkt genau, dass ich nix verstehe, ists zufrieden und zeigt mir auf seinem Stadtplan den falschen Weg. Depp! Das nette junge Mädchen, das mir den Stempel in meinen Pilgerpass gibt, hat ein Einsehen und schickt mich in die richtige Richtung.

Draußen vor der Herberge sitzen die zwei netten Franzosen mit leeren Augen. Sie haben noch kein Quartier, und im Zelt übernachten wollen sie diesmal nicht. Langer Weg durch die Altstadt, noch mal einen Berg rauf, da liegt sie. Ich kriege ein Zimmer für mich allein!!! Abendessen reichlich: Nudeln mit Tomatensauce, Käse drüber, panierter Schinken mit Käse und Pommes. Die fröhlich lärmende spanische Schulklasse mit halbwüchsigen Jungen und Mädchen, bekommt das Gleiche. Nachts heftiger Austausch zwischen den Zimmern, Gekicher, Psst…. wie’s halt so bei einem Klassenausflug zugeht. Bin so müde heute, dass mich das alles nicht stört. Außerdem erinnerts mich so schön an früher.

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