81 Olveiroa – Finisterre

Sonntag, 20.Juni 2004, 34 km + 7 km

Wetter: Nebel, Sonne, heiss, bedeckt, abends Regen

Rascheln, Taschenlampe, die ersten machen sich fertig. Ich warte noch ein bisschen, und stehe dann auch auf. Hab gestern meinen Rucksack schon so vorbereitet, dass das Packen im Dunklen flott vor sich geht. Als ich wanderfertig aus der Tür in den kühlen dunkelgrauen Morgen trete, merke ich, dass ich meine Brille am Bett vergessen habe. Zurück in den Schlafraum, ich halte die Luft an, wegen der Fliegen sollten die Fenster geschlossen bleiben.

Im anderen Gebäude sitzen einige beim Frühstück, ich hab keinen Hunger, füll nur meine Wasserflasche und starte. Nebel auf einsamen Höhenwegen, schöner Blick hinunter zum aufgestauten Rio Xallas. Bei einer Industrieanlage, die aber in der dichten Suppe nicht zu sehen ist, Frühstückspause in einer Bar. Langsam trudeln weitere Pilger ein. Über magere Almen, der Himmel öffnet sich, ein altes Pilgerkreuz direkt an der Kreuzung des Pfades mit einer Landstraße, frisch hinauf auf weite Höhen, vielleicht wird das Wetter ja doch noch, den Sonnenuntergang am Kap Finisterre stell ich mir schön vor.

Über Höhenrücken mit Antennenmast. Als ich oben bin liegt vor mir der Atlantik, vorne die Bucht von Cee, ganz rechts hinten, das muss Finisterre sein. Ich versuche, Euphorie in mir zu erzeugen, es geht nicht. Die Aussicht ist grandios, ich genieße sie, aber mehr auch nicht. Steiler Weg hinunter nach Cee, sehr heiß. Einkaufen in riesigem SB-Center. Im nächsten Ort Mittagspause an palmenbestandenem Platz. Als ich wieder starte, kommen mir Gläubige aus der Kirche entgegen. Die Gelegenheit:       Laudate .

Über heiße Landstraße den Rücken auf der Halbinsel hoch, dann auf Pfaden weiter bis Fisterra, zwischendurch nochmal Pause auf kleinem Steinwall im Wald. Belohnungseis am Strand. Als ich die ersten Häuser von Fisterra erreiche, legt meine körpereigene Software den Schalter um: so, jetzt reichts, weiter mag ich nicht gehen, jetzt hab ich keine Lust mehr. In den zurückliegenden 80 Tagen war mir dieser Gedanke: aufzuhören, nicht ein einziges mal gekommen.

Frisch machen im Hotel, Bummel durch den Ort. Es bezieht sich. Nehm ich doch besser einen Schirm mit, wenn ich jetzt zum Kap gehe. Die kleine Straße schlängelt sich zur Landspitze, dort Bar, Parkplatz, gedrungener Leuchtturm, Restaurant. Alles nicht sehr attraktiv. Ich gehe ganz an die Spitze, wo ich nur noch Fels, Wasser und Himmel sehe.

Da bin ich nun also, dankbar, dass ich diesen langen Weg gehen durfte. Aber kein Glücksgefühl, nicht mal Bedauern, dass es nichts wird, mit dem Sonnenuntergang, aber unbeschreibliche Vorfreude auf zu Hause. Wünsche mir, dass es mir am Ende meines Lebenswegs auch so geht.

Scharfer Regen setzt ein. Ich flüchte in die Bar, schreibe Tagebuch und will den Schauer abwarten. Regnet aber immer heftiger als ich schließlich in der Dämmerung den Weg zurück finde.

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