Weg sein

Über das Krokusherz durch die Pforte, den Wald
Über graugrüne Felder, südwärts, unter den
Kumuluswolken bei Vogelgezwitscher und
Leisem Regen: Hügeltälchen am vollmondigen Bodensee.
Kalt ist der April launisch und schulterzuckend
Graupelschauernde Herzzuckungen
Als wär er – printemps – gestorben.
Vorbei, durch die Schneewehen der Sehnsucht
Hüfthoch angetan mit den Schneeschuhen der Trauer.
Die Wehen durchstapfen, doch dann
Einsiedlerisch genüsslisch Rehrücken mit Brustspitzen. 
Das Kreuz der schwierigen Steigung schleppend,
Leichter immer leichter, bernadettisch schmunzelnd.
Zwischen den Seen lagern breite Hügel
Mittendrinn sich ergehen vorwärts- und rückwärtsgewandt,
Sich die Sonne teilen, den Mond, das Glück…
Im Schoß der schönen Stadt gerne verweilend:
Oh Fribourg – dein Steingeruch von Freiheit.
AVE MARI STELLA in St. Sulpice:
Klangreich der Kirchengaumenraum.
Der Regen regnet nicht rot, nur grau. Noch Warten.
Knopsen springen auf: Blütenregen.
Unerwartete Einnistungen aus Schmerz:
Strahlende Sonne, doch innen grau.
Tot mittags die Dörfer in den provinzischen Strecken.
Doch Gehen erwärmt und bewegt die Gedanken:
Rhoneblicke tiefwärts lockend, Sirenengesang.
Aber über die Höhen kommt Hoffnung auf und
Ungewissheit schwindet, die Regentage enden.
Oft tönts unter Brücken (St. Jean Pied de Port).
Maienglück sträußchenweise: wenn der Monat sich rundet
Zeigt sich die schöne Stadt von ihrer besten Rückseite.
Allein im Zimmer glücklich trotz geschlossener Schusterläden
Und fehlgehender Pakete: aber Sprechen. Sprechen.
Oft der alten Kirche gegenüber, deren Körper der Stimme
Raum-greifend antwortet: zu loben ist genug.
Auch wenn dunkle Wolken dräuen, ists innen hell
Denn die Richtung des Lebens-Weges vor Augen.
Nicht melancholisch trotz abziehender Gedanken
Um Tod und Wiedergeburt und Weiterleben kreisend.
Manchmal wie Conques ist aussen bescheidener als innen:
So tun sich unerwartet auf Raumfolgen aus Leib und Lieb.
Die Sohlen schon durchwandert.
Auch wird die Sehnsucht im Gepäck
Immer schwerer: aber Rücksendung fruchtet nicht.
Alle Blüten und Hoffnungen wegbegleitend.
Selbst den Schmerz der Sehnen weggehen.
Mit Macht und Dasein in Gedanken und
Wortergehend: traumtrunken und hellwach.
Eingeschrieben ist die Erinnerung auch in der
Kemenate von Burgos unterm leichten Linnen,
Derweil Penelope an winterbestimmten
Wolldecken webt und wirkt.
Sogni d’ oro durchziehen leise das Gemüt:
Dieses andere an den Horizont geworfene
Leben das sich in den Landschaften eigen-
Willig ausbreitet, unter der Haut. Sonne brennt.
Phantasmagorien von in Luft wippenden Brüsten.
Allein mit dem Atem, der Stille, dem Wind
Und der Brandung der Hüftbewegungen.
Sanddünen, Hügelkuppen und tiefgrüne Täler:
Dunkelblaue Dolden mit organenen Blättern aus
Tasmanien und Tuvalu blühn seltsam am Wegrand.
Und wenn der Schritt gehemmt wird,
Rastet der Wanderer: dieser unstillbare Hunger nach
Leben der sich regt und ragt und rührt, wenn
Im Winde wilde Levkojen schwanken.
Auf der Sonnenuhr steht:
TEMPUS FUGIT IRREPARABILE.
Darum: immer wieder LAUDATE OMNES GENTES.
Noch ist das Meer weit.
Aber immer wird es da sein.
Anwandlungen von Lust im Gehen
Den Phantasieproviant auskostend.
Wieder den Weg unter die Füsse nehmen.
Vorstoß ins Landesmuschelinnere:
En cadeau ton fruit…
horizon bleu qui reste…
Miteinanderschweigend
staunen
bis
FINIS TERRAE

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