11. Tag Eisenach – Bernshausen

Eisenach-Bernshausen 47 km
O-6201 Bernshausen/Rhön
JH Fritz Wagner
Dermbach 523

Telefoniere nochmal mit Ulm. Benis Geburtstag, wohl deshalb schönes Wetter.

Diskussion, ob die Wartburg besichtigt werden soll. Allgemeine Meinung: nicht besichtigen, weil wir heute wieder eine lange Strecke vor uns haben. Unser Weg führt aber steil hinauf über Treppen und Wege bis zur Burg. Also wird doch besichtigt. Wir kommen aus Eisenach wieder zu spät los. Es ist wie verhext.

Von der Wartburg aus nach Norden sieht man ganz schwach am Horizont den Harz als blaugraue Erhebung. Erst vorgestern waren wir noch dort. Manfred (B) sinnt über die gewaltigen Entfernungen nach, die man fast so nebenbei zu Fuß zurücklegen kann.

Die Wartburg verlassen wir über einen Serpentinenweg in leicht südöstlicher Richtung. Christoph dreht sich um, reicht mir eine Karte mit der Bemerkung, doch mal zu kontrollieren, ob wir richtig seien. Ich habe den Eindruck, daß er den Weg verloren hat, und mich jetzt in die Verantwortung einbinden möchte. Auf der Karte finde ich etwa drei Punkte, an denen wir jetzt sein könnten; welcher aber stimmt, weiß ich nicht.

Wir kommen immer weiter östlich, was mit Sicherheit falsch ist. Eine Landstraße. Wir bleiben stehen, beraten uns und einigen uns auf unseren aktuellen Standort. Christoph möchte der Gruppe gerne die Drachenschlucht zeigen. Bis dorthin ist allerdings steiles Gelände hinab und anschließend ebensolche Steigungen zu überwinden. Die Gruppe protestiert und setzt sich durch.

Wir bleiben oben, umrunden den Wartburgfelsen in westlicher Richtung auf halber Höhe. Nach einer Stunde sind wir wieder auf dem richtigen Weg: über das “Finstere Loch” zur “Wilden Sau”, wo wir an einer kleinen, offenen Hütte die Saftrast einlegen.

Weiter über den Rennsteig nach Süden. Ein milder, breiter Wanderweg durch riesige Buchenwälder. Hinunter nach Wilhelmsthal; ein einst stattliches Barockschloß, seitab an einem malerischen See. (hat Göring da mal residiert?)

Das Wetter ist verhangen. Es ist kalt und alle sind gereizt. 2 km weiter, am Altenberger Teich eine Campingsiedlung. Die Sonne kommt gerade raus, Pause.

Ich mache die Augen zu und genieße die Strahlen.

Jemand fragt; “Christoph,wann gehen wir wieder?” “Wollt ihr?” “Ja!” worauf Christoph sich zurücklegt und die Augen schließt. Wir wissen nicht, ob wir nun gehen sollen oder nicht; da aber die “Leitung” noch ruht, lehnen wir uns auch wieder zurück, ziehen die Schuhe aus.

Unvermittelt steht Christoph auf, packt seinen Rucksack: “Wir gehen!” -und marschiert los. Überrascht fahren wir in unsere Schuhe. Kann er denn seinen Aufbruch nicht so vorbereiten, daß man sich drauf einstellen kann? So was hebt die Stimmung!

Hübscher Weg am Waldrand entlang, teilweise durch lichten Jungwald. Bei Etterwinden aus dem Wald heraus, ein kurzes Stück auf einem etwas tiefer gelegenen Fahrweg,zu dem wir hinunterspringen. In großem Bogen durch ein kleines Sumpfgelände nach links einen Wiesenhang hinauf und weiter am Waldrand entlang. Bei der Mörschen Kuppe eine Weggabelung. Links, fast unsichtbar, ein Pfad, geradeaus ein Waldweg. Ich entscheide forsch (und falsch): wir gehen den Waldweg. Nachdem lange Zeit keine Markierung mehr erschienen ist, der Weg außerdem einen Bogen nach rechts macht, in eine Richtung, in die wir ganz sicher nicht wollen, verlassen wir ihn nach links und schlagen uns querbeet durch lichten Wald. In der Nähe des Waldrandes wieder ein Pfad; in der Ferne, in Tälern geduckt, Ortschaften.

Am Waldrand orientieren wir uns: Kupfersuhl muß das nächste Dorf wohl heißen. Über einen Fahrweg in herrlicher Sonne aber kaltem Wind erreichen wir es. Richtig! Nach Möhra, unserem Depot und außerdem Luthers Geburtsort, müssen wir nun halt über die Landstraße.

Am Ortseingang ist die Straße tief eingeschnitten, Kindergeschrei, die Schule ist aus. Neben dem Pfarrhaus ruhen wir uns auf kurz geschnittenem Rasen aus. Keine Menschenseele, außer uns. Der Wind ist eisig, trotz der Sonne frieren wir. Wir wollen los. Warum muß Christoph ausgerechnet hier noch Honig kaufen?

Schwarze Wolkenwände ziehen auf. Wir bleiben auf der Straße; falls es schütten sollte. Der Wind beißt, ich verkrieche mich in meinen Anorak. Man muß schnell gehen, um warm zu werden. Links hinein in eine Nebenstraße; den abzweigenden Weg rechts zum Wald hinauf kann man schon gut erkennen. Die Gewitterwand verzieht sich. Am Waldrand warten wir in leichter Spätnachmittagssonne. Durch den Anstieg ist mir wieder schön mollig warm. Margit schimpft, weil’s ihr zu schnell geht. Okay, geh’n wir langsamer.

Langer Abstieg im Wald nach Bad Salzungen. Es geht so flott, daß ich dem guten Vorsatz, langsamer zu machen, wieder untreu werde. Unten im Ort Ruhepause in einem Stadtpark. Margit schimpft wie ein Rohrspatz. Ich belle gereizt zurück. Hinterher tut’s mir leid. Am Bahnhof vorbei, durch die Stadt. Richtiger Rummel hier, allerdings auffallend viele alte Leutchen. Wir vereinbaren einen Treffpunkt an der Kirche in Langenfeld, 3 km südlich von Bad Salzungen, weil Gudrun in der Stadt noch was besorgen will.

Zunächst ein ungepflegter Gehweg, der dann auf die Straße trifft, die nach Langenfeld führen soll. Begleitet von Fernwärmeleitungen stürme ich los. Vor uns wird’s wieder ganz schwarz. Hell vor den dunklen Wolken eine Gruppe Hochhäuser, zu der die Fernwärmeleitungen gehören. Es regnet. Nach 20 Minuten dämmert uns, daß wir falsch sind. Also zurück. Diese Straße fehlt auf meiner Karte. Margit beschimpft mich unflätig. Von der Sache her hat sie recht, aber vielleicht hat’s ihr hinterher doch leid getan.

Am vereinbarten Treffpunkt, nach einer langen, öden, geraden Landstraße durch ein endenloses Dorf: keine Gudrun. Mist. Was machen wir jetzt? Nachdem Christoph in dem danebenliegenden Gasthaus gefragt hat, ob eine Frau wie Gudrun dagewesen sei, und eine negative Auskunft erhielt, beschließen wir, trotzdem weiter zu gehen. Über einen langsam ansteigenden Wiesenhang hinauf in die ersten Ausläufer der Rhön. Schöner, hoher Nadelwald. Mittendrin ein sumpfiger See.

Froschkönig.

Wir steigen immer höher hinauf, Christoph vorneweg. Nach dem Desaster heute nachmittag lasse ich ihn lieber vorgehen. Schwitzend erreichen wir schließlich die Kammhöhe, sind wohl aber etwas weit nach Westen abgekommen. Über einen langen Forstweg geht es wieder nach Osten bergab. Eine letzte Saftpause. Der Weg ist hier mit hohem Gras bewachsen; ich sitze auf einem vermodernden Baumstumpf, fühlt sich weich an, Ameisen.

Steil und geradeaus führt der Weg den Berg hinunter, flankiert von dichten, halbhohen Fichten; der mildblaue Abendhimmel über uns, kein Regen mehr. Die Straße über Urnshausen nach Bernshausen. Ländlicher Abendfrieden. Margret und Benjamin werden jetzt beim Geburtstagsessen sitzen. Benjamin als junger Kavalier mit seiner Mutter in einem schönen Restaurant. Zärtlicher Schmerz.

Nach einem Hügel vor uns Bernshausen. Endlich. Ein Gasthof, gemütlich, “Zur Grünen Kutte”. Leider nicht unser Quartier. Eine Frau lehnt aus dem Fenster: “Wir haben Zimmer frei! Ganz neu renoviert!” Wir müssen bedauern, kehren aber zu einem Abschlußtrunk gerne ein. Gemütlicher Gastraum. Auch hier ist Apfelsaftschorle unbekannt, aber der Wirt mischt uns eine: Aus selbstgepresstem, süssem, frischem, fast sahnigem Apfelsaft. Ein Traum. Für die nächsten Tage decken wir uns mit einigen Flaschen ein. Hier könnte man mal Urlaub machen.

Unser Quartier ist eine große, freistehende Jugendherberge, eigentlich mehr eine Gaststätte mit einer ebensolchen Gaststube, wie ein Wartesaal. Schönes Dreibettzimmer, Dusche auf der Etage. Wir machen die Heizung an. Fußpflege, Gemüsebrühe, wunderbar geschlafen.

545 km

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