Sonntag, 11. April 2004, 21 km
Wetter: Sehr kalt, anfangs Nieseln, dann freundlicher, am Schluss Sonne
Beim Frühstück taut der gestern noch so zurückhaltende Wirt auf und wir haben ein nettes Gespräch. Dann raus in den Nieselregen, Richtung Stans.
Der Weg führt über verschiedene Höfe langsam in die Höhe. Es wird trockener, von hinten spüre ich die Sonne. Aufstieg, ca 150 m, sehr angenehm, dann mal kurz entlang eines Wiesenbaches steiler hinauf, sms mit Ostergruss von Martina.
Es geht in ein flaches Tal und ich zögere bei einem Hof, weiterzugehen. Ein Frau öffnet das Fenster: “Ist schon richtig, Jakobsweg, gell?” Der Weg führt steil nach rechts wieder ins Tal nach Stans.
In Stans Ostersms von Birgit. Eigentlich mag ich Handys nicht, fühle mich aber auf dieser Tour ganz liebevoll begleitet. Schöner Weg, teils durch Wald, bei einem Weiler durch Felsscharte, über Almen mit düsterer Schneeüberzuckerung nach St. Niklausen (Haus Bethanien). Vorher Pause in der St. Antonikapelle. Ich möchte so gern singen. Nach kurzer Überwindung: “Laudate omnes gentes” aus Taize. Ich atme den Klang ein, der Raum scheint mich zu singen. Wunderbar. Singen hat schon auch einen ganz stark narzisstischen Charakter.
Ich nehme mir vor, jetzt mindestens einmal täglich, wenn ich eine Kirche oder Kapelle finde, zu singen. Dann bleibe ich wenigstens drin (im Singen, nicht in der Kirche), und kann nach der Rückkehr in meinen diversen Chören wieder voll einsteigen.
Nach einem kurzen, wundervoll anstrengenden Aufstieg auf einen Wiesenhügel sehe ich das Haus Bethanien schon liegen. Der Wanderweg führt aber in einem weiten Bogen den Hang hinunter, durch einen kleinen Wald mit romantischem Wasserfall, einen weiteren Wiesenhang wieder hinauf zum Haus.
Zwischenzeitlich ist die Sonne rausgekommen: Grandioser Blick hinunter zum See und den umliegenden Bergen.
Riesiges Zimmer, sehr freundlicher Empfang. Kurze Meditation in der Kapelle, dann wieder raus in die Sonne. Auf einer Bank mit dem herrlichen Talblick erlebe ich ein unbeschreibliches Glücksgefühl. Ein Viertel davon reicht für mich leicht. Den Rest verschenke ich. Diese Wanderung ist ein Geschenk: Ich darf mich im Vollbesitz meiner Kräfte fühlen, bewältige Anstiege leicht, das Atmen befriedigt ungemein, ich fühle mich im Einklang mit dieser Welt und Margrets Tod erscheint mir auf einmal wie ein ganz notwendiger und wunderbarer Teil des Lebens. Heulen aus Dankbarkeit und Glück.
Abendessen mit vier reizenden älteren (soll nur heissen: älter als ich) Damen, sowie einer jungen Lehrerin aus Bamberg, die den französichen Teil des Jakobsweges ab Le Puy mit ihrem Mann schon mal gegangen ist.
Hab’ heute etwas geschwollene Knöchel. Muss ich aufpassen. Gut geschlafen.
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