Sonntag, 6.Juni 2004, 45 km
Wetter: Sehr heiß
Im Morgengrauen los. Der Horizont hinter mir ist finsterrot, vorne schwarzgraudämmer, eiskalt. Verlaufen kann ich mich nicht, bis Carrion de los Condes Pilgerweg neben Landstraße. Bin ganz allein unterwegs. Entgegenkommende Autos lichthupen freundlich.
Kurz nach der Stadt beginnt eine 17 km lange schnurgerade Piste. Hier sind doch einige Pilger unterwegs. Ansonsten: Himmel, Horizont, Piste. Wenn im Sommer die Felder gelb sind, muss es trostlos sein. Ich gehe und gehe, es verändert sich nichts. Einige Pilger überhole ich. Diese Strecke scheint endlos. Vor mir auf dem Weg mein Schatten: wenn ich seine Mitte fixiere, scheint die Straße wie Wasser durch ihn hindurch zu fließen, Eindruck flotter Geschwindigkeit, Schattenwasser. Das hilft etwas. Aufblickend gerinnt Alles wieder zu Stillstand.
Auch Gedanken bleiben stehn. Himmel, Horizont, Piste. Stundenlang. Außer rhythmischem Atem und mechanischer Bewegung keine Anregung. Zwinge mich zum Schnaufsingen . Ein Polizeiauto überholt rücksichtsvoll langsam, endlich eine Abwechslung. Verfolge, wie es immer kleiner wird; wie es kurz vor dem Horizont plötzlich abzusinken scheint und verschwindet. Sollte dort ein Tal sein? Und das schwarze Komma am Horizont etwa ein Kirchturm? Und in dem Tal etwa Calzadilla de la Queza? Und die 17 km bald rum sein? Hoffnung beflügelt, Kirchturm wächst, Straße kippt abwärts: Geschafft. Am Ortseingang Herberge, Pilger warten, Colaautomat. Ich gönne mir eine. 11:00 Uhr, und die meisten beenden hier ihre Tagesetappe, stellen ihre Rucksäcke hintereinander auf, um die Reihenfolge festzuhalten, denn die Herberge öffnet erst um 17:00 Uhr. Was macht man in der Tageshitze in einem staubigen Kaff 6 Stunden lang, und dann bis zur Dunkelheit noch mal 6 ??
Weiter.
Pilgerpiste entlang Landstraße. Es wird etwas hügeliger, manchmal kann ich eine Steigung stürmen und um eine Kurve laufen. Tut das gut! Scharfer Knick des Pilgerwegs nach einer Brücke links 3 m steil runter. 5 spanische Radlerpilger überholen mich, rasen den Abhang hinab, einer kriegt die Kurve nicht, oh je, rappelt sich aber lachend wieder auf.
Nach 1,5 Stunden Mittagshitze wieder Pause, Ledigos, Bar, wie üblich: Fernseher läuft: zwei Männer hoch zu Ross jagen mit langen Speeren schwarzen Stier, der ständig über seine eigenen Beine stolpert, sich überschlagend hinstürzt, benommen liegen bleibt, wieder aufgestachelt wird. Das Ganze von vorn. Wenn (S)Tiere das mit uns Menschen täten?
In Terradillos de los Templarios strömen Leute aus der Dorfkirche. Die Gelegenheit. Der Pfarrer steht als letzter am Eingang. Darf ich singen? Daumen und Zeigefinger: 2 Minuten? Eine! Er muss dringend abschließen.Laudate Es werden dann doch zwei und er freut sich wie ich, tätschelt mir den Arm beim Rausgehen. Kenn’ ich doch irgendwoher.
Nahezu alpin wirds langsam. Sahagun ist schon von Weitem zu sehen; wird aber dann doch noch elend heiß und lang bis in die Stadt. Zimmer schwül, frisch machen, Stadtbummel, in Bar den Begleiter der Österreicher getroffen, Manfred, hat sich doch etwas selbständig gemacht, seine Freunde wollten mit dem Bus nachkommen, es geht aber keiner.
Mehrere Radler (die zum Trinken), Tagebuch, Internetcafe.
Abendessen in Restaurant an hübsch belebtem Platz, will nur einen Salat und Vino tinto. Sonst nichts?? Bedienung ist sauer, knallt mir ein Glas Roten hin und 2 Stück Weißbrot und vergisst mich dann. Nach einer Stunde hab ich die Nase voll, zahl den Wein und gehe. In romantischer Seitengasse ein Paella vegetabile. Na, ja.
Schwüle Nacht
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