10. Tag

Vom Fölser Hof über den Cucul nach Neumarkt und dann mit dem Bus über Trient nach Caldonazzo.

Wetter: etwas trüb, aber kein Regen. Barometer leicht ansteigend. Ein bequemer Wirtschaftsweg, leicht abfallend, bis zum eigentlichen Fölser Bauernhof. Kurz davor wieder leicht ansteigend in den Wald. Er reduziert sich zum Pfad, teilweise etwas schmal, steil, über kleine Felsen, sogar einmal eine kleine Leiter. Es ist feucht. Zweimal träge Feuersalamander, die mit zähen Bewegungen vor uns die Flucht ergreifen. Wenn wir sie fressen wollten hätten sie keine Chance.

Aus dem Wald heraus vorbei an einem stillen Gehöft, Zwetschgen an den Bäumen. Ich verkneife mir den Zugriff. Dann eine große Apfelplantage. Ein Apfel lugt vorwitzig aus dem Zaun. Ich schnappe ihn mir. Nach der Plantage kurzes Warten an einer Straßenbiegung. Nach Karte müßten wir auch den Pfad über den Berg und entlang des Wildbachs gehen können. Christof entscheidet sich für den Pfad (hätte ich wetten können), der nach ca. 200 m abenteuerlich bruchstückhaft oberhalb des rauschenden Baches verläuft und schließlich am Bachrand versickert.

Ein glitschiger Baumstamm liegt als Brücke über dem Wasser, einige große Steine, bemoost, erlauben vielleicht den Übergang. Ich benutze den Balken, indem ich mich vorwärts auf ihn fallen lasse, dann auf den ersten Stein trete, unter dem Balken durchschlüpfe, und dann vom nächsten Stein aus mit einem großen Satz das andere Ufer erreiche. Christof versucht es etwas unterhalb. Gerade als ich drüben bin, rutscht die fröhliche Hiltrud aus Franken aus und klatscht voll mit ihrer  Rückseite ins Wasser. Sie kann zwar schnell wieder aufstehen, ist aber vollkommen durchnässt. Mit Hilfe trockener Kleidungsstücke der anderen Wanderer kann sie sich wieder einigermaßen trocken einkleiden und trägt die Situation mit bewundernswertem Humor.

Einen steilen Waldhang hinauf, zur Kirche. Kurze Andacht. Weiter über den E5 über einen Waldhang und ein Stück Straße nach Truden. Kurze Saftpause.

Bequem den Berg hinauf, die Sonne kommt gerade etwas raus. Nach einem kurzen, waagrechten Stück, gerade recht zum Ausschnaufen, ein Anstieg, der – von unten betrachtet – überhaupt nicht zu enden scheint. Steil weist ein steiniger weißer Pfad nach oben. Ich reduziere sofort mein Tempo und falle in den 2/2-Rhythmus.

Den Anstieg gilt es, durchzuhalten. Er scheint immer länger zu werden, endet aber dann doch auf einer sonnigen Lichtung. Herrliche Pause. Eine Gruppe geht mit Christof um den Berg, die andere mit mir über den Cucul-Gipfel. Laut Karte sind das noch ca. 250 Höhenmeter, also schon ein Anstieg, bei dem’s einem warm werden kann. Wir müssen pünktlich um 17.00 Uhr am Bus in Pinzano oberhalb von Neumarkt sein. Deshalb bitte ich die Gruppe, ganz eng beieinander zu bleiben, damit wir niemand verlieren. Ich gehe ganz langsam vor. Lieber eine langsame Dauerleistung als ein schneller Sprint, bei dem die Gruppe auseinanderfällt und man sich möglicherweise nicht mehr findet.

Der Weg ist viel bequemer als befürchtet, der Gipfel eingewachsen, ohne Aussicht und langweilig. Aber eben doch ein Gipfel.

Bedeckter Himmel.

Gemütlicher, hübscher, teilweise zauberhafter Abstieg durch lichte Föhrenwälder mit langem Grasbewuchs. Einkehr an der Rienzner-Alm. Letzte riesige Apfelsaftschorle vor dem Tal.

Langer Abstieg, zunächst über Kuhfladenalm, in den Wald hinein, teilweise steile Serpentinenpfade mit grandiosen Blicken ins Tal. Schade, daß es etwas dunstig ist. Vorbei an einem Apfelbauern, der gerade erntet. Ich frage ihn, ob die Äpfel gut sind (Na klar, was denn sonst), und ob wir uns welche pflücken dürfen.

Selbstverständlich.

Den Weg weiter, an einer Straßenbaustelle vorbei bis zur Autostraße. Dort über einige Serpentinen nach rechts den Berg runter, links die  Straße überquert, durch Weinberge. Rechts durch ein Dorf, Vorhäuser von Pinzon, über eine kleine Tiefalm, letzte Schotterwege, fast ein trockener Wildbach,  gewunden, einige Regentropfen fallen, die aber mehr erfrischen als stören.

Kurz vor Pinzon sehe ich vor mir die Nachhut von Christofs Gruppe. Großes Hallo. Pünktlich eingetroffen. Bin froh, daß die Gruppe so diszipliniert war.

Köstlicher, frisch gepresster Traubensaft im Gasthaus, vor dem uns der Bus erwartet.

Busfahrt nach Trient. Schade, daß wir diesmal nicht in Trient übernachten. Die Stadt ist einen Bummel wert.

Christof geht mit einer Gruppe in den Dom, ich mach mich selbstständig, bummle durch die Straßen zum Domplatz und bestelle mir einen heißen Kakao (nein, welch eine Sünde!) Schorsch gesellt sich zu mir, erzählt von den Schwierigkeiten, die er mit seinem Hausbau und der Baugenehmigung hat. Ich versuche, ihm vernünftige Ratschläge zu geben, um ihn von seiner Michael-Kohlhas-Einstellung wegzubringen. Ob mir das gelungen ist, weiß ich nicht.

Friderike gesellt sich zu uns, dann noch Dorit. Wir schwatzen ein wenig, beobachten, wie von allen Seiten Fastenwanderer auf den Platz tröpfeln und sich am Brunnen versammeln. Gemeinsam gehen wir zurück zum Bus, eine offene Kirchentür verleitet Christof noch zu einer Stippvisite. Eine dunkle Kirche, leer, Marienstatue am Eingang. Ich will singen. “Laudate omne gentes” von Taize. Die Akustik der Kirche trägt wunderbar. Ich habe das Gefühl, atmend gesungen zu werden und möchte gar nicht aufhören.

Fahrt durch die Nacht nach Caldonazzo. Karin sitzt neben mir, sie wird uns morgen verlassen. Am See steigen einige aus, um zu baden. Friderike und die sonstige Jungmannschaft. Ich stelle mir vor, wie sie frieren werden. Später erzählen sie, es sei ganz herrlich lauwarmes Wasser gewesen. Heute abend Ehebett mit Wilfried. Nur eine Matratze und eine Zudecke. Ich gehe runter und bitte um wenigstens eine zweite Decke. Wird gewährt.

Viel Brühe heute abend, ich sitze zusamen mit den Eltern von Knut an einem Tisch. Sie erzählt vom Leben in der früheren DDR und von schönen, aber verbotenen Liedern.

Anschließend verkrümele ich mich an die Bar und trinke noch ein Bierchen. Am Nebentisch sitzen Einige. Ich setze mich dazu und aus dem einen Bierchen werden drei.

Morgen wartet ein langer und aufregender Aufstieg auf uns. Also, ab ins Bett.

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